Kann man auch im Liegen meditieren ? Wie spanne ich den Bogen zwischen Aktivität und Regeneration ?
Im Grunde lässt sich die Frage ganz eindeutig mit „Nein“ beantworten – es gibt jedoch Ausnahmen. „Nein“ deshalb, weil die Zen-Meditationshaltung einen ganz speziellen Hintergrund hat: Sie ist so konstruiert, dass sie uns still macht, aber nicht müde, also sie hält eine Mischung zwischen still und wach. Auch auf physischer Ebene müssen wir den Bogen spannen zwischen Yin und Yang. Aktivität und Regeneration.
Wenn der Körper sich hinlegt, kriegt er sofort einen Einschlafimpuls und schläft dann auch ein. Und das ist die Schwierigkeit, dem Drang zu widerstehen sich wohlzufühlen, denn darum geht es bei der Zen-Meditation anfangs nicht. Es ist wie beim Sport: Wenn ich Liegestütze mache, ist mein Ziel nicht das sich wohlfühlen. Da fühle ich mich erst später wohl, wenn ich an eine Grenze herangehe, und merke: Da geht etwas anderes ab, mehr und tiefer – und genau so verhält es sich auch mit der Zen-Meditation.
Liegemeditation – Ausnahme 1: Mit Heilmeditation unser Qi in Balance bringen
Da es vor allem wichtig ist, daß es heilsam ist, was wir tun, gibt es dennoch Situationen, in denen es nicht nur möglich, sondern auch sehr heilsam sein kann, im Liegen zu meditieren: Wir hatten ja schon gesagt, wenn wir krank sind, meditieren wir nicht, sondern richten unsere ganze Konzentration auf die Heilung. Bin ich irgendwann sehr fortgeschritten in meiner Meditationstechnik, gibt es jedoch die Möglichkeit, das eigene Qi in Balance zu bekommen mithilfe von Positionen, die im Liegen als Heilmeditationen dienen. Daher erhält jeder Teilnehmer seine für ihn individuelle Zen-Übung, die immer auf die Bedürfnisse
Liegemeditation – Ausnahme 2: Mit Heilmeditation den Schlafrythmus wieder in Balance bringen
Aber auch für Anfänger gibt es Ausnahmen: Gerade im Leadership-Bereich, wo die Belastung und die Verantwortung hoch liegen, gibt es Dinge, die uns wortwörtlich den Schlaf rauben. Am heilsamsten wäre es natürlich, uns dieser Dinge zu entledigen oder mit bestimmten Übungen der Ursache entgegenzuwirken – aber das ist ja leider nicht immer möglich. Für Menschen, die dann nachts aufwachen und nicht wieder einschlafen können, gibt es eine spezielle Zen-Liegeübung: Das ist eine Art Liege-Qigong-Übung, die dem Körper so 80 % regenerieren läßt, wie schlafen es sonst tut. Der Betroffene weiß dann zwar, daß er nicht einschläft, aber trotzdem Regeneration bekommt.
Der Effekt ist sofort spürbar: Mit dieser Position kann man sagen, es ist überhaupt nicht entscheidend, ob man schläft oder nicht, aber man hat einen Tiefschlaf gehabt von drei Stunden, und jetzt macht man nochmal drei oder vier Stunden einfach diese liegende Qigong-Übung. Der Körper sieht dann: „Es gibt Tolleres auf der Welt, aber entspanne dich, keine Panik!“ Das Schöne dabei ist: Häufig schlafen Menschen auch über diese Übung wieder ein.
Zen-Meister Hinnerk Syobu Polenski
im Dialog mit Teilnehmern des Zen-Leadership-Seminars