Wie wir herausfinden, wofür es sich zu leben (und zu arbeiten) lohnt.
IKIGAI – der Sinn des Lebens. IKIGAI könnte man frei übersetzen mit „wofür es sich lohnt, in der Früh aufzustehen“. Jeder kann sein persönliches IKIGAI finden.
Der japanische Begriff setzt sich aus den Wörtern IKI = Leben und GAI = Sinn zusammen. Japanern wird schon sehr früh die Bedeutung von IKIGAI vermittelt und schon in jungen Jahren versuchen Menschen ihr IKIGAI zu erkennen und entdecken.
IKIGAI bildet in Japan sogar einen wichtigen Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Der Neurowissenschaftler Ken Mogi erlaubt in seinem Buch „IKIGAI – die japanische Lebenskunst“ nicht nur einen Einblick in diese Art der Lebenseinstellung, sondern lässt uns auch erahnen, warum Stress und Burn-out Symptome des Westens sind.
Um sein persönliches IKIGAI, den Sinn des Lebens zu finden, lohnt es sich, einen Blick auf dessen fünf Säulen zu werfen.
Die fünf Säulen von IKIGAI
- Klein anfangen
Alles beginnt immer mit dem ersten Schritt, egal ob es die Verwirklichung DER großen Lebensvision geht, oder um den Aufbau eines Vertriebsteams. Klein anfangen im Sinne des IKIGAIs bedeutet einen gewissen jugendlichen und unverbrauchten Geist an den Tag zu legen. Dabei ist der erste Schritt immer gleich viel „wert“ wie der letzte. Wer sein IKIGAI lebt, ist sich dieser Tatsache stets bewusst und erlebt jeden Schritt gleichwertig. Im Zen entspricht das am ehesten dem von Shunryu Suzuki beschriebenen „Anfängergeist“.
- Loslassen lernen
In Zusammenhang mit IKIGAI, mit dem Sinn des Lebens, kann man Loslassen am besten üben, indem wir lernen von Bewertungen loszulassen. Es geht nicht unbedingt darum etwas besonders gut zu machen, sondern es mit Hingabe zu tun. Das hilft uns dabei, nicht immer über das Ergebnis der Arbeit nachzudenken, sondern mehr im Sein zu verweilen, um letztlich in den vom Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi entdeckten Zustand des FLOW zu gelangen.
- Harmonie und Nachhaltigkeit leben
In dieser Säule wird der japanische Sinn für Gemeinschaft deutlich. Es geht um eine Nachhaltigkeit im Sinne der Eingebundenheit in die Welt. Ein egoistisches Denkmuster kann demnach nur selten wirklich glücklich machen. Gleichsam fühlt sich der Mensch von Harmonie angezogen und fasziniert. Viele japanische Künste, wie z.B. die Porzellanmalerei, das Zeichnen von Kaligrafien oder das Blumenstecken (IKEBANA) sind Ausdruck von gelebter Harmonie.
- Die Freude an kleinen Dingen
Je mehr wir es schaffen, auf die kleinen Dinge im Leben zu achten, desto mehr wird einem die Einzigartigkeit jedes Augenblicks bewusst. „Wenn man die kleinen Dinge bemerkt, wiederholt sich nichts.“ (Ken Mogi).
- Im Hier-und-Jetzt sein
Diese Säule ergibt sich als schon fast logische Folgerung aus den ersten vier fast von selbst und kann demnach fast schon als Herzstück von IKIGAI angesehen werden.
Wie finde ich mein IKIGAI?
Beschäftigt man sich mit den fünf Säulen des IKIGAI, bekommt man ein intuitives Gefühl dafür, was es für einen selbst bedeuten könnte. Dieses Gefühl oder eine gewisse intuitive Erkenntnis, kann man über die Meditation verstärken. Dennoch fällt es vielen Menschen schwer, ihr eigenes IKIGAI zu entwickeln oder klar zu erkennen. Dabei kann uns ein analytischer Ansatz helfen, der auch im Coaching oft zur Anwendung kommt. Über vier zentrale Fragen werden die fünf Säulen des Ikigai in einen praktikablen Ansatz transformiert:
- WHAT I LOVE – was ich wirklich gern tue
- WHAT I’M GOOD AT – worin ich gut bin
- WHAT I AM PAID FOR – wofür ich bezahlt werde
- WHAT THE WORLD NEEDS – was die Welt von mir braucht
Praxistipp
Besorgen Sie sich ein sehr großes Blatt Papier, am besten in der Größe eines Flipcharts, sowie viele verschiedenfarbige, kleine Post-Its.
Zeichnen Sie für jede der vier Fragen einen großen Kreis. Am Ende überschneiden sich alle Kreise und bilden eine Art Blume. Nehmen Sie sich für den folgenden Prozess ausreichend Zeit, im Idealfall 90 Minuten.
Definieren Sie für jede Frage eine Post-It Farbe, schreiben Sie jeden einzelnen Punkt auf ein eigenes Post-it und heften Sie es in den jeweiligen Kreis. Denken Sie daran, es geht auch um die vermeintlich „kleinen Dinge“ im Leben. Versuchen Sie von jeder Bewertung loszulassen und schreiben Sie alles auf, was bei Ihnen auftaucht. Es hat sich sehr bewährt, sich dazwischen immer wieder in Meditation zu begeben, um einen noch besseren Zugang zum Unterbewusstsein zu bekommen. Hier ein paar tiefer gehende Fragen, die Ihnen helfen können:
WHAT I LOVE
Was haben Sie als Kind geliebt? Was können Sie unendlich lang tun, ohne müde zu werden?
Bei welchen Tätigkeiten sind Sie glücklich? Wann können Sie die Zeit vergessen?
Worüber reden Sie am liebsten? Was sind Ihre Hobbies?
WHAT I AM GOOD AT
Wofür werden Sie gelobt? Welche Ausbildung haben Sie gemacht? Was haben Sie gelernt?
Wo haben Sie einen großen Erfahrungsschatz? Welche (ungewöhnlichen) Fähigkeiten haben Sie? Worin sind Sie talentiert?
WHAT I AM PAID FOR
Was ist Ihr Beruf? Woher kommt Ihr Einkommen?
Wofür werden Sie belohnt in Form von Geld oder Geschenken?
WHAT THE WORLD NEEDS
Was soll übrigbleiben, wenn Sie einmal nicht mehr sind? Welchen Beitrag leisten Sie für das große Ganze?
Was fehlt, wenn Sie nicht da sind? Welchen Mehrwert leisten Sie für die Gesellschaft?
Welche Ihrer Tätigkeiten sind sinnhaft oder entsprechen höheren Werten?
Gemeinsamkeiten und das IKIGAI finden
Treten Sie nun einen Schritt zurück und finden Sie heraus, welche Schnittmengen sich ergeben. Jetzt können Sie die Post-its verschieben, um sie an den entsprechenden Schnittstellen zu positionieren. Die Schnittmengen geben Auskunft über Ihre Leidenschaft (Passion), Ihren Beruf (Profession), Ihre Berufung (Vocation) und ihre größere Aufgabe (Mission). Ihr IKIGAI – der Sinn des Lebens – wird Ihnen nun in der Mitte der Blume wie auf einem Silbertablett präsentiert. Vielleicht ist es eine Bestätigung dessen, was Sie schon immer gedacht oder gefühlt haben. Wahrscheinlich eröffnet Ihnen der Prozess aber auch vollkommen neue Erkenntnisse und Einsichten. Probieren Sie es aus!
Übrigens:
Sein Ikigai zu kennen und danach zu leben, dürfte lebensverlängernde Effekte haben. Eine Studie der Universität im japanischen Ohsaki fand heraus, dass es signifikante Korrelationen zwischen IKIGAI und gesundheitlichen Vorteilen gibt. Vielleicht ist das der Grund, warum die Wurzeln von IKIGAI in Okinawa liegen soll. Die Insel ist bekannt für die außergewöhnlich hohe Anzahl an gesunden Über-Hundertjährigen.
(Sense of Life Worth Living (Ikigai) and Mortality in Japan: Ohsaki Study, Sone et al. 2008)
Blogbeitrag von Conny Hörl, Zen Leadership Trainerin und Unternehmerin
Buchempfehlungen:
Ken Mogi: „IKIGAI – die japanische Lebenskunst“, Dumont Verlag
Mihály Csíkszentmihályi: „Flow“, Klett-Cotta Verlag
Shunryu Suzuki: „Zengeist – Anfängergeist“, Theseus Verlag
Wie schade – die 4 Fragen sind nicht Ikigai – sie stammen von Andrés Zuzunaga- er ist Spanier und nannte sein Modell Propósito (Purpose).
Aber dennoch eine tolle Anleitung!
Hallo, dazu habe ich diesen Text gefunden.
Mieko Kamiya
Die Mutter des Ikigai
Durch eine Verwechslung mit einem Venn Diagramm des Spaniers Andrés Zuzunaga glauben viele, dass dies das japanische Ikigai sei. In Wahrheit ist das Ikigai jedoch viel komplexer und tiefgehender, als das verbreitete Venn Diagramm. Ken Mogi spricht von einem Spektrum – das Ikigai sei “so komplex wie das Leben selbst”.
Link https://finde-zukunft.de/mieko-kamiya-die-mutter-des-ikigai
Viele Grüße