Von Marc Aurel, tibetischem Buddhismus und Internet-Gurus.
Traum und Schlaf als Transformationsweg? Ist Schlaf nur ein ohnmachtähnlicher Zustand? Träume nur Schäume?
Im Schlaf regenerieren wir uns, integrieren neues Wissen und unser Gehirn räumt schädliche Ablagerung zur Seite. Kann das alles sein? In allen Zeiten haben Menschen geträumt, sich an ihre Träume erinnert und darüber sinniert welche Bedeutung diesen Träumen vielleicht zukommen mag.
In der Neuzeit im Westen ist es Sigmund Freud zu verdanken, dass Träume plötzlich nicht mehr nur als Überreste einer Nacht gewertet wurden. Auch wenn seine Erkenntnisse nicht dem heutigen Stand der Wissenschaft entsprechen, so gebührt ihm der Dank, die Träume aus der Dunkelheit der Nacht befreit zu haben.
Die Antike
Unsere Vorfahren betrachteten Träume als wichtige Wegweiser in ihrem Leben. Der berühmte Philosophenkaiser Marc Aurel schrieb hierzu:
„….daß ich in meinen Träumen Ratschläge erhielt, unter anderem gegen das Blutspucken und die Schwindelanfälle.“ (Erstes Buch, 17)
Dies zeigt, dass im Traum Ebenen der Weisheit zugänglich sind, die unser Alltagsbewusstsein nicht erreichen kann. In Griechenland wurde dies auch systematisch genutzt. Mit Ritualen zur Einstimmung auf den Schlaf und einer Analyse des Traums. Die Patienten reisten in ein Heiligtum um dort zu träumen.
Dies war Teil der Heilbehandlung im Asklepios Kult, mit Zentren in Epidauros in der Argolis. Im Traum erschien dem Träumer dann der Arzt und gab dem Patienten Diäten oder andere Kuren auf. So wurden Traum und Schlaf als Transformationsweg genutzt.
Der Osten
Im tibetischen Buddhismus gibt es den Übungsweg des Traum Yoga. Dort wird der Schüler in vielen Schritten in das strukturierte Träumen eingeführt. In den resultierenden Träumen, sogenannten luziden Träumen, öffnen sich, wie bei den Griechen, andere Bewusstseinsebenen. Die Plagen und Hindernisse der Alltagsrealität sind nicht vorhanden. Die persönliche und spirituelle Transformation geschieht sozusagen im Schlaf.
Die Möglichkeiten Traum und Schlaf als Transformationsweg zu nutzen sind vielfältig. Auch im Zen gibt es hierzu Übungsansätze. Regelmäßig Meditierende haben einen deutlich einfacheren Zugang zu ihren Träumen.
Wichtig ist die Phase des Einschlafens. Diese determiniert, neben Tagesereignissen, das Traumgeschehen. Unsere Entwicklung spiegelt sich in unseren Träumen, aber unser Handlungen in den luziden Träumen, verändern unser Alltagswesen.
Die menschliche und spirituelle Reife drückt sich im Traum aus. Diese Aussage geht auf den Stoiker Epiktet zurück und findet sich auch im tibetischen Buddhismus wieder.
Internet Gurus
Luzide Träume öffnen faszinierende Welten. Nicht nur im Film „Inception“, der eine nicht ganz realistische Extremvariante dieser Traumerfahrungen spiegelt.
In den luziden Träumen können wir sein wer oder was immer wir sein möchten. Die Gesetze der Physik sind außer Kraft gesetzt. Wir schaffen unsere eigenen Realität.
Man könnte dies als Spielerei abtun. Doch die jahrtausende alte Erfahrung zeigt, dass diese Träume Veränderungen im Alltags-Ich auslösen. Sportler können ihre Fähigkeite trainieren. Spirituell suchende können mit anderen Weisheits- und Bewusstseinsebenen in Kontakt treten. Selbst wer nur zum Spaß im luziden Traum fliegt oder Mitglied einer Expedition wird, verändert sich. Der Alltagsgeist wird fluider, Perspektivenwechsel werden einfacher, Traumata können aufgelöst werden und ungewöhnliche Lösungen finden ihren Weg in unser Denken.
Im Netz tummeln sich viele ernsthafte Traumforscher und windige Gurus um uns die vielfältigen Möglichkeiten der Klarträume näher zu bringen. Wer sich auf diese Reise begibt sollte eine gefestigte Persönlichkeit haben, denn die Grenze zwischen Traum- und Alltagsrealität kann verschwimmen. Wie im Film Inception braucht es hier manchmal einen Anker, eine Übung oder einen besonderen Gegenstand. In ganz besondere Weise wird in diesen Träumen erlebbar, dass alles veränderlich und nichts fest gefügt ist. Dies gilt für Traum wie Wirklichkeit. Diese Erfahrung kann uns helfen schwierigen Situationen, selbst dem Tod, in gelassener Weise zu begegnen.
Oder wie Marc Aurel schreibt:
„Werde nüchtern und rufe dich zur Ordnung, und wenn du aufgewacht bist und erkennst, daß dich Traumbilder quälten, dann betrachte, neu erwacht, die Wirklichkeit so, wie du jene (Traumbilder) betrachtet hast“ (Buch 6/31)
Blogbeitrag von Prof. Dr. Angela Geissler, Ärztin, Coach und Autorin
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